Samstag, 21. August 2010

Flut in Pakistan

Heute will ich mich doch endlich einmal bei Euch allen melden und unsere Lage hier in Pakistan schildern.

Erst einmal vielen Dank für die vielen eMails, die wir erhalten haben und die sich alle Sorgen gemacht haben, wie es uns wohl so geht.

Ich verfolge täglich die deutschen Nachrichten und was man dort zeigt ist wohl das Bild in grossen Teilen von Pakistan. Allerdings liegt Lahore Gott sei Dank ausserhalb dieser Bereiche. Natürlich regnet es auch bei uns, das ist nun die Jahreszeit und der Monsun.

Aber unser Wasser fliesst mehr oder weniger normal ab und meistens dauert es nur wenige Stunden bis sich die Lage wieder normalisiert.

Heute morgen beispielsweise musste ich ins Büro. Dabei fahre ich über eine Strasse, die durch mehrere Unterführungen geleitet wird, um den Verkehr flüssiger zu halten.

Dann fing es an zu regnen. Und zwar so stark, dass man die Unterführungen besser meidet. Zum einen stehen dort zig Motorradfahrer, die den Ende des Regens abwarten und das Wasser kann auch mal kniehoch werden. Wir haben dann den oberen Weg gewählt, der über eine Kreuzung führt. Okay, dass dauert dann etwas, aber besser als im Tunnel im Wasser stecken zu bleiben.


Ansonsten haben wir von der Metro als auch privat von den Angestellten mehrere Sammelaktionen gestartet. Zuerst wird Geld gesammelt, dann kaufen wir Sachen die in den Krisengebieten gebraucht werden. Dann werden die Sachen zu einer zentralen Sammelstelle gebracht und von dort direkt von der Armee weiterverteilt. Metro hat direkt 3 Lastwagen voll mit Lebensmitteln in die betroffenen Gebiete geschickt.

Die armen Menschen haben wirklich alles verloren und in einem Land wie Pakistan ist natürlich auch nicht all zuviel vorhanden um ihnen schnell und direkt zu helfen.

Und man stelle sich vor Deutschland, Österreich und die Schweiz würden gleichzeitig geflutet. 20 Millionen Menschen sind betroffen.

Ich bin wirklich froh mittlerweile zu hören, dass die Spenden nun doch eingehen.

Man hört immer wieder, dass die Taliban versuchen die Situation für ihre Zwecke zu missbrauchen. Destabilisierung der Nation ist dabei wie immer ihr oberstes Ziel.


Bei uns in Lahore steigen die Lebensmittelpreise. Vor allem frisches Obst, Gemüse, Mehl und Reis sind betroffen, da weite Teile der Ernte einfach wegspült wurden.

Wir können die Preissteigerungen wegstecken, aber es gibt so viele Menschen die am Existenzminimum leben und die diese Erhöhungen nicht so einfach bezahlen können.


Auch Benzin ist seit Tagen knapp, da einige Raffinerien des Landes überflutet wurden und nicht mehr produzieren können. Bisher konnten wir es immer noch managen, aber wenn man sieht, dass eine Tankstelle “flüssig” ist, heisst es nichts wie hin und vollgetankt, egal wie viel noch im Tank ist. Da müssen längere Fahrten doch sehr überlegt werden.


Aber alles in allem kann ich wirklich nicht klagen, vor allem wenn ich all die armen Menschen vor Augen habe, die alles verloren haben.


Meine Gürtelrose ist nach drei Wochen auch schon fast abgeklungen und ich habe nur ab und an noch ein wenig Kopfschmerzen. Der Arzt sagt, dass ist normal und kann auch noch ein wenig länger dauern. Ich gehöre schon zu den Glücklichen, die nur wenige Wochen leiden mussten, weil wir meine Gürtelrose doch sehr zeitig erkannt und behandelt haben.


So, ich hoffe ihr seid nun etwas beruhigt. Und wenn ihr es erübrigen könnt, spendet doch ein paar Euro für Pakistan. Das Geld wird hier wirklich gebraucht.

Freitag, 6. August 2010

Diagnose: Gürtelrose

Als Kind hatte ich irgendwann mal Windpocken. Die werden ausgelöst vom Herpes Zoster Virus. Und dieser gemeine Virus nistet sich dann nach Abklingen der Windpocken in den Nervenknoten an der Wirbelsäule ein. Dort schläft er viele Jahre. Aber 20 - 25% der ehemaligen Windpocken-Kinder kriegen dann im Erwachsenenalter die sogenannte Gürtelrose. Dabei entzünden sich die Nervenenden und man sieht einen roten Ausschlag auf der Haut. Und ein Nerv nach dem anderen wird angesteckt. Es kommt zu einem Ausschlag der wie ein Gürtel vom Rücken an den Rippen entlang nach vorne wandert. Daher auch der Name.


Ich hab´s aber nicht am Rücken, ich hab´s am Kopf. Ja, ich weiss, nicht neues, ich hatte es ja immer schon am Kopf. Aber diese Gürtelrose ist echt teuflisch, weil mit echt extremen Schmerzen verbunden. Und am Kopf kann dann auch Auge, Ohr oder Nase langfristig beeinflusst werden. Im Extremfall kann man das Augenlicht verlieren.


Und am Kopf sind die sowieso extremen Schmerzen natürlich noch viel grösser. Ich lebe im Moment von Schmerztabletten. Am Anfang hat ja noch Aspirin gereicht, dann Dolormin, jetzt vom Arzt verschriebene Hammerteile. Aber sonst könnte man es gar nicht aushalten.


Bin heute auch zu Hause geblieben. Hoffe es geht bis Montag besser.

Sonntag, 1. August 2010

Usman´s Hochzeit

Usman ist Mazhar`s jüngerer Bruder und er hat dieses Wochenende geheiratet.


Seine Frau kommt nicht aus der direkten Familie, was ich natürlich aufgrund der bekannten Risiken für die Kinder sehr begrüsse. Wenn es schon eine arrangierte Ehe sein soll, dann wenigstens nicht mit einem Cousin oder einer Cousine ersten Grades.


Leider konnte die Hochzeit nicht komplett so stattfinden, wie es eigentlich geplant war.

Vor etwa einem Monat ist die Frau von Mazhar´s und Usman´s Cousin gestorben.

Sie war erst 29 Jahre alt. Sie kam mit inneren Blutungen ins Krankenhaus hier in Lahore und man hat erst einmal zwei Tage für die Diagnose gebraucht, bevor man operiert hat.

Da war sie schon so geschwächt, dass sie die schwere Operation (13 cm ihrer Darmes mussten entfernt werden) nicht überlebt hat. Zwar konnte man sie noch 2 Wochen mit künstlicher Beatmung am Leben erhalten, aber zwei Tage nach der Operation war sie schon ins Koma gefallen.

Sie hinterlässt ihren Mann und drei kleine Kinder im Alter von 1 1/2, 3 und 5 Jahren.

Für Mazhar und Usman ist der Cousin wie ein Bruder. Die zwei sind mit ihm und seinem Bruder zusammen aufgewachsen. Dementsprechend nah ging ihnen auch der Verlust seiner geliebten Frau und Mutter seiner Kinder.

Deshalb wollten wir die Hochzeit auch gerne verschieben. Aber die Brautseite hat dann letztendlich nur einer etwas kleineren Feier zugestimmt.


Der erste Abend wird Mehndi genannt und ist eher informell. Mehndi ist normalerweise die Bemalung von Händen und Füssen mit Henna. Das wird natürlich für diese Feier auch gemacht. In vielen Familien treffen sich die Frauen und bemalen sich dann gegenseitig.

Ich habe mich da lieber in professionelle Hände gegeben und bin in meinen Schönheitssalon gegangen. Das Henna wird als Paste mit einer dünnen Spitze auf die Haut aufgetragen und muss dann mindestens 1 Stunde trocknen. Dann kann man die hart gewordene Kruste der Paste abwaschen und zurück bleibt die rote bis schwarze Färbung der Haut, die ca. zwei Wochen braucht um wieder komplett zu verblassen.

Die Kleider zu diesem Event haben traditionell mehr gelb, türkis und goldene Farben.

So auch mein Outfit, welches ich von Mazhar´s Familie bekommen hatte. Passend dazu trägt man jede Menge Armreifen, Ohrringe, Collier und Ringe.

Dann trifft man sich. Braut und Bräutigam kommen getrennt und werden mit viel Musik in den Partysaal gebracht. Sie sitzen auf einem erhöhten Podest und werden von jedem Gast quasi “besucht”. Dabei steht Öl, Hennapaste und Süssigkeiten auf dem Tisch.

Man nimmt etwas Öl auf den Finger und streicht es Braut und Bräutigam ins Haar. Dann etwas Hennapaste, die auf einen Geldschein gestrichen wird, den Braut und Bräutigam in den Händen halten. Zuletzt nimmt man eine Süssigkeit und füttert das Brautpaar.

Nach 300 Besuchern hat man da garantiert die Schnauze von allem Süssen voll.

Dann wird getanzt. Meist haben die jungen Mitglieder der Brautfamilie (Schwestern, Brüder, Cousins und Cousinen) etwas vorbereitet. Dazu werden spezielle Trommeln geschlagen und gesungen.

Irgendwann gibt es dann Abendessen.

Und wie so üblich in Pakistan löst sich die Feier dann nach dem Essen auf.

Braut und Bräutigam fahren getrennt nach Hause und dürfen diese Nacht noch nicht miteinander verbringen.


Der nächste Abend wir Barat genannt und wird von den Brauteltern ausgerichtet.

Hier sind die Farben der Kleidung verschieden. Mazhar´s Schwestern hatten dunkelrot, weiss mit türkis und weiss mit orange an. Mir hatten sie ein weisses Outfit mit goldener Stickerei gebracht. Dazu hat mein Schneider eine lange, weite Hose aus Seide geschneidert. Wieder viele Armreifen, Ohrringe und Collier, natürlich farblich passend.

Abermals kommen Braut und Bräutigam getrennt. Der Bräutigam mit seiner Familie zuerst, die Braut dann mit etwas Verspätung. Wieder sitzt man auf dem erhöhten Podest, wieder kommen die Gäste zum Gratulieren und von jedem wird ein Photo mit den Brautleuten gemacht.

Dann gibt es Abendessen. Wieder verabschieden sich die ersten Gäste, aber die enge Familie hat noch etwas vor. Die Braut muss noch vom Bräutigam bezahlt werden. Dafür offeriert man dem Bräutigam ein Glas Milch, vom dem er trinken soll. Doch das wird wohl die teuerste Milch seines Lebens werden. Also geht das Feilschen los. Der Bräutigam will natürlich erst nicht trinken, er unterstellt schlechte Qualität, zu hohen Preis und so weiter.

Ein sehenswertes Schauspiel. Nach langen, zähen Verhandlungen, die Braut hat mittlerweile von der Milch getrunken um ihre Qualität zu bezeugen, wird der vereinbarte Preis bezahlt und der Deal besiegelt.

An diesem Abend fährt die Braut zum ersten Mal mit ihrem Mann nach Hause.

Das Ganze geht sehr tränenreich von statten. Mutter, Schwestern, Cousinen weinen lauthals. Selbst den Männern stehen teilweise die Tränen in den Augen.

Dann kommt nur die aller engste Familie (Schwestern, Schwager, Eltern, Grosseltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen) mit ins Brauthaus.

Die Brautleute haben noch eine kleine Fotosession in ihrem Hochzeitsoutfit.

Man trinkt noch ein Tässchen Tee und wünscht dem Brautpaar alles Gute für die Zukunft (und die erste Nacht).

Ich habe dann noch mit einem kleinen Holzstäbchen durch ein Auge des Bräutigams streichen müssen. Das soll ihm Glück und Gesundheit bringen. Für mich war es eine Auszeichnung, dass er mit so weit vertraut, dass ich mit einem Holzstab so nah an sein Auge heran durfte.

Nachdem sich die Brautleute zurück gezogen hatten bin auch ich nach Hause gefahren.


Heute morgen habe ich mich dann ausgeklinkt. Die Familie der Braut kommt ins Haus der Brautleute und bringt das Frühstück mit.


Eigentlich wird dann an diesem Abend noch Walima gefeiert. Das ist die Feierlichkeit, die von der Familie des Bräutigams ausgerichtet wird.

Dieses Fest haben wir in Respekt auf die Verstorbene verschoben.

Im nächsten Monat startet der Fastenmonat Ramadan und danach werden wir dann dieses Fest nachholen.

Dazu habe ich ein dunkelgrünes Outfit mit schwarz-goldenen Stickereien bekommen.

Natürlich wieder mit Armreifen, Ohrringen und Collier. Dieses Outfit gefällt mir persönlich am besten und ich freue mich schon auf diesen Teil der Hochzeit, wenn er auch erst etwas später statt findet.

Und wer weiss, vielleicht ist die Braut dann ja schon nicht mehr alleine!!??!!