Sonntag, 21. August 2011

Kundenfreundlichkeit in Pakistan

In Pakistan hat man jetzt auch entdeckt, dass Kundenfreundlichkeit zu mehr Umsatz führen kann. Und so wurde mehr Kundenfreundlichkeit und Kundenorientierung eingeführt. Das zumindest verheissen die vielen Aushänge, Aufkleber und Plakate.

“Der Kunde ist König” - “Hier werden Sie erstklassig behandelt” - “Unsere Kunden fühlen sich wie im Paradies” sind nur einige dieser Slogans.

Habe ich hier doch ein gutes Beispiel zu berichten, wie diese Kundenfreundlichkeit auch wirklich gelebt wird.

Bei einer grossen pakistanischen Airline (natürlich im Staatsbesitz und hochgradig defizitär) arbeitet man auch an mehr Kundenzufriedenheit, das vermitteln auf jeden Fall die grossen Aufkleber “Der Kunde ist König” in jedem Büro.

Okay, jetzt zur Geschichte.

Wir waren ja Anfang Juli im Norden von Pakistan und hatten Hin- und Rückflüge nach Gilgit bzw. Chitral gebucht. Doch aufmerksame Leser dieses Blogs wissen, die Flüge fanden wegen schlechten Wetters und langer Wartelisten von gestrandeten Reisenden früherer Flüge für uns nicht statt. Wir haben statt dessen das Auto benutzt.

Die Flüge waren alle über unseren Reiseagenten gebucht, also habe ich ihn auch gebeten die Rückerstattung des Geldes (immerhin 130 Euro pro Passagier) einzuleiten. DAS wäre kundenfreundlich gewesen.

Leider war das nicht so einfach, weil der Reisende selbst in einem Büro der Fluggesellschaft erscheinen muss, um sein Geld zurück zu bekommen. Mit einer Vollmacht kann man allerdings auch jemanden anders schicken.

Da ich den Eindruck hatte, dass unser Reisebegleiter nicht wirklich Interesse daran zeigte, die Tickets für uns zu retournieren (er hat aber auch keinen Kundenfreundlichkeitsaufkleber), habe ich das kurzerhand selbst in die Hand genommen.

Beim ersten Mal bin ich erst einmal nur mit meinem Ticket bei der Fluggesellschaft aufgelaufen um heraus zu finden, wie das ganze funktioniert.

Aha, ein Automat gibt erst einmal eine laufende Nummer heraus und man wartet, bis diese Nummer an einem Schalter aufgerufen wird. Ganz schon fortschrittlich. Wartezeit hier höchstens 5 Minuten.

Okay, ich war beim internationalen Geschäft aufgelaufen und musste mit meinen Flügen zum nationalen, dass sich im selben Raum, aber um die Ecke befand.

Dafür konnte der mich aufklärende Mitarbeiter natürlich nix, aber Hinweisschilder wären schon nicht schlecht gewesen. Was soll es, also wieder Nummer ziehen und nochmals 10 Minuten warten. Dann wurde mein Ticket in nur 10 Minuten mit Stempeln, einem Ausdruck, manuellen Vermerken usw. versehen. Nur Geld hatte ich immer noch nicht.

Ach so, der Mitarbeiter klärte mich auf, dass die Geld- bzw. Scheckausgabe im ersten Stock in einem wiederum anderen Büro statt findet.

Dort angekommen wieder die jetzt schon sehr vertrauten Aufkleber. Bisher allerdings fühlte ich mich nicht so ganz wie ein König.

Natürlich gab es bei der Scheckausgabe auch ein paar Menschen vor mir. Also wieder warten. Dann endlich war ich an der Reihe. Der Mitarbeiter sehr engagiert und nach nur 10 weiteren Minuten hatte ich einen Scheck auf meinen Namen in der Hand und konnte feststellen, dass die Fluggesellschaft “nur” 7 Euro Bearbeitungsgebühr abgezogen hatte.


Nachdem dieser Versuch in nur 30 Minuten erfolgreich abgeschlossen war (ich gebe zu, die Einlösung des Schecks hat weiter drei Tage gedauert, aber dann hatte ich das Geld auf meinem Konto), war ich bereit auch die Tickets meiner vier Freunde einzulösen.

Ich hatte mich bei meinem ersten Besuch schon nach dem Wortlaut der Vollmacht erkundigt und so waren diese schnell auf meinen Namen ausgestellt.

Dann noch eine Kopie der Pässe und los ging es.

Erst einmal habe ich es Samstags versucht, genau wie beim ersten Mal auch.

Diesmal war ich auch direkt am nationalen Schalter um zu lernen, dass während des Ramadan samstags keine Rückerstattungen statt finden. Ich sollte doch Montags bis Freitags von 8 bis 14.30 Uhr kommen. Tolle Wurst, wenn man selber bis 15.30 Uhr arbeiten muss. Aber der Mitarbeiter blieb trotz vorhandener Aufkleber hart und selbst die Diskussion mit seinem Vorgesetzten führte zu keinem besseren Ergebnis.

Mir wurde erklärt, dass bei andere Fluggesellschaften Tickets nur in einem Zeitraum von einem Monat erstattungsfähig sind, während hier ein Jahr gewährt wird. Na, wenn das mal nicht kundenfreundlich ist.

Ich allerdings wollte unser Geld nicht so lange in der wie gesagt hoch defizitären Fluggesellschaft lassen, weiss man doch nie, wann die dann doch Konkurs anmelden müssen, weil vielleicht die staatliche Gelddruckmaschine wegen Engpässen in der Stromversorgung nicht richtig funktioniert.

Ich habe mir mehrfach versichern lassen, dass man ab 8 Uhr für Publikum geöffnet hat und bin am nächsten Donnerstag wieder hin. 8.05 Uhr und ich stand vor dem nationalen Schalter. Kein Kunde da, aber ich erstmal brav eine Nummer gezogen, wie sich das für einen gesitteten deutschen Kunden so gehört. Die Mitarbeiten schauten mich von den Schalter erwartungsvoll an und konnten gar nicht verstehen, warum ich erst einmal im Wartebereich Platz nahm. Ach so, dann doch verstanden und das Knöpfchen gedrückt, dass die nächste Nummer (in diesem Fall erste Nummer) über dem Schalter anzeigt wurde. Ich also hin und mein Begehren kund getan.

Rückerstattung aber gerne doch, nur einen klitzekleinen Moment, der Computer sei noch nicht hochgefahren. Ich kenne diese klitzekleinen Momente in Pakistan und war schon fast dankbar als der Mitarbeiter nach nur 5 Minuten anfing die Tickets eins nach dem anderen abzuarbeiten. Stempel, Ausdruck, Vermerk, blablabla. Mir wurde mitgeteilt, dass die Bearbeitungsgebühr 8,20 Euro beträgt. Hä, wat? Beim ersten Mal waren es doch nur 7 Euro. Kurze Beratung mit dem Kollegen und dann Vorschlag zur Güte, ich bekäme gleichen Service für 7 Euro. Zufrieden? Ich weiss nicht, ich kam mir eher vor wie auf dem Bazar.

Hat natürlich bei vier Tickets alles etwas länger gedauert, aber schon um 8.20 Uhr war ich auf dem Weg zur Scheckausgabe, um dort vor verschlossener Tür zu stehen.

Kurze Frage im Nachbarbüro wo denn der Kollege sei.

Ich solle doch erst einmal Platz nehmen, der komme sicher gleich. Was jetzt, habt ihr hier nicht ab 8 Uhr geöffnet? Doch, doch, und der Kollege sei sicher nur um die Ecke.

Ja genau. Das kennen wir schon. Gut das ich mittlerweile Urdu verstehe und mitbekam, dass der Kollege angerufen wurde. Wo isser denn nu? Kommt sofort.

War dann auch so und der gleiche Mitarbeiter vom letzten Mal erschien wirklich nur 2 Minuten später um sein Büro aufzuschliessen.

Aber auch hier dann erstmal Computer hochfahren. Dann waren keine Scheckformulare im Drucker. Die langen über Nacht selbstverständlich im Safe. Und den Schlüssel hatte wiederum ein anderen Mitarbeiter. Und der war jetzt noch nicht da. Kam aber nach Anruf auch schnell aus seinem Versteck.

Dann sollte ich meinen Pass vorzeigen. Entschuldigung, der liegt seit ca. 1 Woche für die Erneuerung meiner Arbeitserlaubnis beim Ausländeramt. Ich könnte aber meinen pakistanischen Führerschein anbieten. Der zeigt auch meinen Namen und mein Foto.

Wurde glatt akzeptiert, man ist ja kundenfreundlich.

Ein Mitarbeiter trollte sich mit meinem Führerschein davon um eine Fotokopie zu machen.

Mittlerweile war es nach halb neun und immer mehr Mitarbeiter erschienen im Büro.

Jeder musste natürlich mit Handschlag und ein paar freundlichen Worten begrüsst werden. Dann zurück zur Arbeit. Wo waren wir gerade, ach ja, wir wollten die Tickets zurück erstatten. Wie war jetzt noch einmal der Name? Claudia Au, steht aber auch in der Vollmacht. Stimmt. Gut.

Ach, könnten wir vielleicht mal für nur 5 Minuten unterbrechen? Die Putzfrau müsste mal eben das Büro feucht wischen. Hä? Entschuldigung, ich bin hier König und ich weiche nicht für die Putzfrau. Die kann meinetwegen später wieder kommen, nicht jetzt, ich will endlich meinen Scheck und ich muss auch zur Arbeit. Argumente, die den Mitarbeiter nicht davon abhielt seinen Platz zu räumen und die Putzfrau gewähren zu lassen. Die ist hier König, nicht der Kunde!!!

Putzfrau weg, Scheckformularen im Drucker, alle Eingaben in uraltem DOS Programm gemacht und schon war der Scheck gegen 8.50 Uhr gedruckt.

Aber wo war jetzt mein Führerschein? Nach einem kurzen Telefonat wurde mir erklärt, dass der Mitarbeiter in einen benachbarten Fotokopiershop gehen musste, um dort die Kopie zu machen. Hä? Hat diese internationalen Airline in ihrem Hauptbürogebäude etwa keinen funktionierenden Fotokopierer? Doch, doch natürlich, aber im Ramadan öffnet die zentrale Fotokopierstelle erst um 10.00 Uhr. Aber man sei ja sehr kundenorientiert und deshalb hätte man auch keine Mühen gescheut um die Kopie ausserhalb machen zu lassen. Vielen Dank auch noch einmal dafür.

9.00 Uhr konnte ich dann mit Scheck und Führerschein das Gebäude verlassen und endlich selber zur Arbeit fahren, nur um dann festzustellen, dass der Scheck nicht auf meinen Namen, sondern den eines Mitreisenden ausgestellt war.

Wie konnte ich auch mal wieder so blauäugig sein und den Scheck nicht direkt vor Ort auf Herz und Nieren zu prüfen. Ich sollte doch mittlerweile solche Dinge gelernt haben.

Gut, dass ich einen Fahrer habe, den ich in solchen Fällen schicken kann und der mich dann im Beisein der betreffenden Mitarbeiters anruft und wir ganz kundenfreundlich den Sachverhalt noch einmal erörtern, daraufhin der Scheck geändert wird und zum Mittag der gesamte Vorgang endlich als erledigt betrachtet werden kann.

Bis auf die Tatsache natürlich, dass bis heute (drei Tage später) noch immer kein Geld auf meinem Konto gut geschrieben wurde.

Aber das wird schon, ich bin ganz sicher bei soviel Kundenfreundlichkeit.